Im möchte darauf hinweisen, dass dieser Beitrag einen rein persönlichen Kommentar darstellt und in keinem Bezug zu Kunden oder Auftraggebern steht. Als Dienstleister, der Online-Marketing, Redaktion, Kommunikationsleistungen und Social Media anbietet, ist es mir wichtig, meine persönliche Haltung in Bezug auf Äußerungen im Internet darzustellen. Aus dieser Motivation heraus, ist dieser Beitrag entstanden. Es geht nicht darum, einen reinen Meckerbeitrag zu verfassen, sondern ich möchte darstellen, mit welchen Sorgen und Ängsten ich die Entwicklung des Webs beobachte. Ich vertrete eine verantwortungsvolle Kommunikation, die geprägt von einem wertschätzenden und respektvollen Umgang miteinander ist, egal, ob diese Kommunikation auf persönlicher Ebene am runden Tisch oder aber von Bildschirm zu Bildschirm in den Sozialen Netzwerken erfolgt.
Ein Kommentar zum Äußerungstsunami nach den Geschehnissen im Krefelder Zoo.
Fast aufdringlich wirkt das Meer der dicken roten Grabkerzen vor der einsamen Statur des Menschenaffen auf dem Vorplatz, ein kleiner Junge mit dicken Anorack klammert sich an die Hand seines Vaters und starrt, ein gemaltes Bild in der anderen Hand haltend, in die Leere und wenn der Wind dreht, dann wehen die einzelnen Böen immer wieder leichten Brandgeruch in meine Nase. „Ey, was halten Sie vom Tod der Affen?“, rempelt mich ein junger Typ mit Handschuhen und stahlblauen Augen an und winkt seinem Kameramann zu, der sich gierig wie ein Geier mit seinen Klauen und lüsternen Blicken nach vorne bewegt. Ich flüchte mich durch das Zoo-Tor. Hinter dem ist es auf einmal ganz ruhig, die Stille erschlägt mich fast.
Es ist der Besuch eines Ortes, der sich in Schockstarre befindet. Unweigerlich erinnert mich die Atmosphäre an Szenen in meinem eigenen Haus vor vier Jahren: Als ein Feuer mein Hab und Gut vernichtete und ich in der Brandruine stand, ging auch hier das Leben nur rund 200 Meter vom Ort des Geschehens ganz normal weiter. Aber hier ist nichts ganz normal, hier sind, anders als bei meinem Brand damals, Lebewesen ums Leben gekommen. Und diese Lebewesen werden nie wieder lebendig werden. Komme ich erst am zweiten Tag nach dem fatalen Brand in den Zoo, sind die meisten Mitarbeiter nur wenige Stunden nach der Katastrophe vor Ort und erleben das, was passiert ist, mit jedem einzelnen Sinn: Frisch wird der Geruch von verbranntem Fleisch gewesen sein, unsagbar still die Natur, nachdem die hektischen Flammen wie der größte Feind über sie hergezogen sind, und unfassbar der unverständliche Schmerz über das, was sie verloren haben.
Unfassbarer scheint für mich das zu sein, was nun beginnt. Denn, hat sich in den ersten 48 Stunden nach den Geschehnissen die Welt gefühlt in einer Bewegungslosigkeit befunden, schnürt das, was jetzt durch den Zoo, durch die Sozialen Netzwerke zieht, mir die Kehle ab.
Ich bin Journalistin, ja, und ich arbeite mit Sozialen Medien, aber auch mit einigen Tagen Abstand schockiert mich das, was gerade passiert, zutiefst. Ich bin unsagbar traurig über den Tod der Tiere und über das, was passiert ist, und mich rührt die weltweite Anteilnahme. Auf der anderen Seite, und das beschäftigt mich ehrlich gesagt gerade deutlich mehr, ist mein Unverständnis über die Reaktion vieler Bürger und über die Hetzjagd in Sozialen Medien. Und diese Entwicklung macht mir unglaublich viel Angst.
Wie eine Welle verbreitet das Soziale Netzwerk Falschmeldungen, Hasstiraden, Verschwörungstheorien und Meinungswust. Viele Unbeteiligte mit jedem Wissensstand sehen sich auf einmal fähig, Sachverhalte zu erklären, über Täterschaften zu urteilen und ihre Meinung als die einzig wahre zu proklamieren. Wenige, sachdienliche Kommentare entwickeln sich durch die Flut an unsachlichen, emotionalen Statements zu einem Tsunami des Abschaums. Ich lese – auch in meiner Bekanntenliste – ekelhafte Kommentare von (ja und das sage ich mit Absicht) dummen Menschen, Positionierungen, die man in einem emotionalen Wahn hervorgebracht hat, und abstoßende Beurteilungen über Täter, über Opfer und über Rechtschaffene. Und ich frage mich ganz ehrlich:
Leute, schämt ihr euch nicht?
Die Sozialen Netzwerke haben sicherlich viele Vorteile, aber vor allem sind sie brandgefährlich, wenn man sie nicht zu bedienen weiß. Ich bin für Meinungsfreiheit und ich beteilige mich an jeder sachdienlichen Diskussion, was ich aber nicht befürworte, sind haltlose Behauptungen, die ins Internet gestellt wurden, ohne sie für sich selbst zu überprüfen. Genau das geschieht aber gerade in den Sozialen Netzwerken: Da postet ein Schreibtischtäter auf einmal Halbwissen über Artenschutz, ein Mitarbeiter eines Klamottenlabels nimmt sich raus, zu beurteilen, wie Brandschutz eingehalten wurde, und der schüchterne Typ von nebenan, der sonst noch nicht mal mehr für ein „Guten Morgen“ die Zähne auseinander bekommt, meint, über Fundraisingmethoden eine einseitige Abhandlung schreiben zu können. Wieder andere werten das Halbwissen als geballte Intelligenz und geben ihre ungefilterten Kommentare dazu ab. Und ja, bei manchen wird mir schlecht, bei anderen steigen mir vor Wut die Tränen in die Augen und bei wieder anderen kann ich einfach nur den Kopf schütteln. Denn würden wir uns an einem Tisch gegenübersitzen und beim Gespräch in die Augen schauen, würden sich am nächsten Tag mindestens dreiviertel der Teilnehmer an den Kopf fassen und sich sagen „Puh, was hab ich da nur von mir gegeben“. Diese Legitimation verliert sich im Internet. Warum das so ist, da habe ich keine Erklärung für, aber die Leute tippen gedankenlos ein, sie feuern ab, treffen ins Ziel und am nächsten Tag ist hinter der Maske der Anonymität jeder Schuss vergessen.
Ja, das macht mir Angst. Und ja, auch ich habe eine sehr fundierte Meinung zur Katastrophe im Zoo. Ich habe eine sehr fundierte Meinung zum Thema Artenschutz. Ich habe eine sehr fundierte Meinung zum Klimawandel und den Bränden in Australien. Ich habe eine sehr fundierte Meinung zu Fundraisingmethoden. Aber vor allem verfüge ich über Empathie und Einfühlungsvermögen. Und über die Gewissheit, dass das Internet nicht vergisst.
Ich würde mir wünschen, dass wir die Gespräche, die wir inzwischen auf irgendwelchen offenen Plattformen im Internet führen, zukünftig wieder mehr am Tisch stattfinden lassen. Dass wir dabei versuchen, menschwürdig miteinander umzugehen, dass wir die Statements, die wir von uns geben, vorher überdenken und dass wir vor allem diejenigen in Ruhe lassen, die gerade Ruhe brauchen. Ich bin mir sicher, dass niemand von euch auf der Straße auf einen trauernden Menschen zugehen würde, um ihm seine Meinung aufzudrängen oder ihn mit allwissendenden Beurteilungen zu konfrontieren. Ihr würdet ihn in den Arm nehmen, ihr würdet ihm eure Schulter anbieten und ihr würdet ihn fragen, wie ihr ihm helfen könnt. Ihr würdet über eure Worte nachdenken, ihr würdet abwarten bis die Zeit Heilung zugelassen hat und dann vorsichtig Kritik formulieren. Und ihr würdet – wenn ihr nicht völlig verkehrt seid – in eure Worte auch immer Anteilnahme mischen. Denn, vor euch, so seid ihr euch dann leibhaftig bewusst, steht ein Mensch, der Gefühle hat, der sehen, hören und spüren kann. Der ein Gedächtnis hat und der nicht vergisst. Und genau so ein Mensch verbirgt sich auch hinter jedem Bildschirm. Denkt beim nächsten Posting daran.