Back Home - Wie es ist, wieder nach Hause zu kommen

Mehr als drei Jahre ist es inzwischen her, dass ich nach einem Wohnungsbrand meinen Rucksack packte und entschloss, mein damaliges Leben in Krefeld aufzugeben und auf Weltreise zu gehen. Ich habe unfassbar viel erlebt, Freunde auf der ganzen Welt gefunden, mein Wertesystem noch einmal von links nach rechts und von oben nach unten gedreht und so viele Erinnerungen gesammelt, dass ich sehr viele Nächte und sehr viele Flaschen Wein brauchen würde, um euch von allen zu erzählen.

Neuseeland, Australien, Philippinen, Kambodscha, Vietnam, Sri Lanka, Thailand, Indonesien, USA, Marokko, England.

Bambushütten, Vans, Hängematten, fremde Sofas, Sofas von Freunden, Homestays, Luftmatratzen.

Khmer Kindern Schwimmunterricht geben, im Dschungel Affen beobachten, bei der Sichtung von Elefanten in freier Wildbahn weinen, mit einer Army-Veteranin Bier brauen, tauchen tauchen tauchen, mit Kindern an der Hand tanzen, unzählige platte Scooter-Reifen, Narben, Schrammen, Lebensmittelvergiftungen, Nächte durchquatschen, bescheuerte Worte in komischen Sprachen lernen, Mitternachts Jumps ins Meer.

Ja, ich kann so viele Listen füllen und alle sagen sie mir: Du hast es richtig gemacht. Die Zeit, die du hattest, war einfach nur wahnsinnig und wird dich für immer prägen.

Irgendwann ist der Rucksack voll

Aber irgendwann ist der Rucksack, den man täglich mit Erinnerungen füllt, voll. Ich habe erst vor wenigen Wochen festgestellt, dass das Kapitel „Weltreise“ für mich langsam abgeschlossen ist, ohne, dass ich mein Vorhaben von einer richtigen Weltreise wirklich erfüllt habe. Ganz langsam und schleichend kam auf einmal ein Gefühl, dass ich in diese Richtung nicht kannte. Es war die Sehnsucht danach, Neues gegen Festes zu tauschen. Wer reist, der sammelt: Freundschaften, neue Lieblingsrestaurants, sehr viele Betten und noch mehr kulturelle Unterschiedlichkeiten. Dieses Sammeln ist toll und wertbringend, macht aber auch irgendwann müde. Ich musste mir vor einigen Wochen eingestehen, dass ich zu müde bin, um weiter zu reisen. Das war krass. Das hat mich erstmal richtig fertig gemacht. Denn was hatte ich denn in den letzten Jahren sonst für ein Ziel im Leben, als meine nächste Reise zu planen?
Klar, als digitale Nomadin und als Journalistin habe ich tolle Jobs gehabt und irgendwie gab es auch irgendwann die Zukunftsvision davon, sich wieder niederzulassen, aber wenn die Situation dann doch auf einmal vor der Türe steht, dann denkt man: „Wohow, ist es das jetzt wirklich?“ – Den gleichen Gedanken hatte ich damals, als ich mit 24 Jahren in meiner tollen 3-Zimmer-Wohnung, eingerichtet wie aus nem Wohnmagazin, saß, nen tollen Job und ne sehr lange Beziehung hatte. Und dann alles schmiss. Jetzt diesen Gedanken wieder zu spüren, in einer sehr konträren Situation, hat mich verunsichert. Aber nach ein paar Tagen auch irgendwie erfüllt.

Eine Hommage an die feste Struktur

Mein Bruder sagt immer, dass wir die meisten Freunde nur ein paar Jahre haben und sie uns auf besonderen Wegen begleiten. Sie sind unsere temporären Wegbegleiter. Und doch sind sie wertvoll und prägend für uns. Ich glaube, dass wir uns auch immer selbst in unserer Rolle auf unserem jeweiligen Lebensabschnitt sehen müssen. Ich war jetzt viele Jahre „die Reisende“. Und jetzt bin ich eben „die Wiedergekommene“. Und als Wiedergekommene stelle ich fest, wie schön es ist, Strukturen zu haben. Ja, auch das kannte ich auf Reisen nicht: Ein neuer Ort hieß, neue Freunde zu finden. Eine neue Versorgungsstruktur aufzubauen. Die Straßenzüge kennenzulernen. Neue Laufstrecken zu erkunden. Erstmal herauszufinden, wo man das beste „Heimweh“-Essen bekommt, wenn man von PMS geplagt mal einen Tag heulend im Bett verbringt.

Zuhause zu sein, bedeutet einen Lieblings-Dönerladen zu haben. Beim Nachbarn Zucker zu leihen. Bei der besten Freundin auf der Couch zu liegen, wenns mal nicht so läuft. Mit eigener Küche das Lieblingsessen zu kochen. Die Mami und den Papi um die Ecke zu haben. In ein und demselben Bett jede Nacht zu schlafen. Zu wissen, wo man morgens ist, wenn man aufwacht.

Und wie ich das gerade zu lieben weiß, könnt ihr nicht glauben. Jeden Tag aufs Neue ist es ein Geschenk, MEINEN Schlüssel in MEINE Wohnungstür zu stecken und zu wissen „Hey, es ist immer noch alles da.“ Ich habe Bauchkribbeln, wenn ich mich mit meinen Freunden treffe. Tränen in den Augen vor Dankbarkeit darüber, meine Eltern so nah bei mir zu wissen. Und Vorfreude darauf, mit einem festen Job, meine Kreativität, mein Können und meine Leidenschaft wieder einer festen Vision zu verschreiben. Tja, so ändern sich die Lebensabschnitte.

Die Reisen haben mich geprägt und verändert. Sie haben mir gezeigt, wie unendlich dankbar ich für die Vielfältigkeit auf der Welt bin. Wie wenig ich brauche, um glücklich zu sein. Wie wunderschön es ist, so unfassbar tolle Menschen auf der Welt zu kennen und in so vielen Ländern einen Anlaufpunkt zu haben. Wie viel Mut in mir selbst steckt. Sie haben aber auch mein Feingefühl für feste Strukturen hervorgerufen. Muss man dafür erst weg sein? Ich wünsche mir, dass es nicht so ist. Vielleicht überlegt ihr mal selbst, welche Strukturen es in eurem Leben gibt, die Halt bringen. Die euch festigen. Und in deren Gewissheit ihr jeden Tag fröhlich aufsteht.

Hey Leute, ich bin wieder fest in Krefeld!